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9-Euro-Ticket: Strohfeuer oder Durchbruch zur Verkehrswende?

Seit Ende August ist das 9-Euro-Ticket Geschichte. Ziel des Angebots war es, ähnlich wie beim Tankrabatt, Pendler aufgrund der hohen Energiepreise zu entlasten. Noch hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr das groß angelegte ÖPNV-Projekt nicht offiziell ausgewertet. Doch die bislang vorliegenden Ergebnisse sind beeindruckend und zugleich auch ernüchternd.

Verkauft wurde das 9-Euro-Ticket von Juni bis August bundesweit stolze 52 Millionen Mal (dazu kommen noch rund drei Monate lang jeweils 11 Millionen Abonnements) und sorgte bisweilen für übervolle Regionalzüge und unzählige Medienbeiträge. Laut Marktforschung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sollen rund zehn Prozent der Nutzer des 9-Euro-Tickets auf mindestens eine ihrer täglichen Autofahrten verzichtet haben, was allerdings im Zusammenhang mit dem (fast) kostenlosen ÖPNV-Angebot zu sehen ist.

Die SPNV-Nachfrage im NWL ist von Juni bis August 2022 im Durchschnitt spürbar gestiegen: gegenüber Mai 2022 werktags um +30-40%, an Wochenenden mit Werten um +40-50% nochmals deutlich mehr. So stieg das Nachfrageniveau mit Einführung des 9-Euro-Tickets auch deutlich über das vom Vor-Corona-Zeitraum 2019, insbesondere an den Wochenenden. Auch die Reiseweiten sind stark angestiegen; entsprechend wurden die „Rückgratlinien“ (RRX und einige RE) sehr intensiv genutzt – auch hier vor allem an Wochenenden.

Diese Werte deuten darauf hin, dass die Leistungen in den morgendlichen Hauptverkehrszeiten kaum mehr als zuvor genutzt wurden.

Fazit: Mit einfachen und preisgünstigen Tickets und Vertriebsstrukturen kann auch kurzfristig eine große Nachfrage erzeugt werden.

Das ganze Projekt hat die Steuerzahler bundesweit rund 2,5 Milliarden Euro gekostet. Unbezahlbar ist allerdings die Aufmerksamkeit, für die das 9-Euro-Ticket gesorgt hat. Viele Branchenthemen, die es vorher selten bis nie in die Medien geschafft hatten, sind nun bekannt und wurden von Millionen Fahrgästen live erfahren: Eine bessere Infrastruktur, mehr Züge, mehr Verbindungen und ein einfacheres Ticketsystem sind für einen attraktiven und nachfragegerechten SPNV dringend notwendig.

Umfragen belegen, dass sich rund drei Viertel der deutschen Bevölkerung für eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets aussprechen, und für Bundeskanzler Olaf Scholz war das 9-Euro-Ticket womöglich eine der besten Ideen, die die Regierungskoalition bisher hatte. Doch wie genau kann und wird diese Fortsetzung aussehen?

Nach zahllosen Vorschlägen verschiedenster Akteure und mehreren Diskussions-runden zwischen den Bundesländern sowie dem Bundesverkehrs- und Bundesfinanzministerium gibt es nun eine Entscheidung der Regierungskoalition: Als Bestandteil des sogenannten dritten Entlastungspakets soll es eine Nachfolgeregelung, aber keine Fortführung des 9-Euro-Tickets geben.

Das neue Angebot soll ab dem kommenden Jahr als bundesweit gültiges Ticket und vorrangig im digitalen Vertrieb erhältlich sein. Von der Sinnhaftigkeit konnte Bundesverkehrsminister Volker Wissing seinen Parteifreund und Bundesfinanzminister überzeugen. Für das Nachfolgeticket stellt daher Christian Lindners Ministerium bis zu 1,5 Milliarden Euro bereit, wenn die Länder sich in gleicher Höhe beteiligen sollten.

Im Verlaufe der Verkehrsministerkonferenz am 12./13.10.2022 gemeinsam mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing verständigte man sich auf ein bundesweit gültiges Ticket zum Preis von 49 €, das allerdings nur im Abo erhältlich ist. Die Einführung steht noch unter dem Vorbehalt, dass die Ministerpräsidentenkonferenz gemeinsame Lösungen findet, was und wieviel Bund und Länder finanzieren. Trotzdem ist eine Einführung zum Jahresbeginn 2023 erreichbar.

Undenkbar für die Aufgabenträger ist jedoch, dass es zu einer Einigung zum 9-Euro-Nachfolgeticket kommt, der Bund sich aber nicht zu einer Erhöhung der Bundesmittel bekennt: Ohne höhere und verstetigte Regionalisierungsmittel und einen Ausgleich der drastisch angestiegenen Energie-, Personal- und Materialkosten ist nicht nur das Sommermärchen des 9-Euro-Tickets vorbei, es drohen dann sogar Abbestellungen und Ausdünnungen von Verkehren. Eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg des neuen Ticketmodells ist jedoch, dass mindestens das heutige SPNV-Angebot aufrechterhalten und mit steigender Nachfrage ausgebaut werden kann.

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